Borley Rectory

Stock/ Essex, um 1863
Von dem als "gespenstischstes Gebäude Englands" bezeichnete Pfarrhaus sind heute nur noch ein paar Ziegelsteinhaufen übrig - begraben unter einem Teppich aus Moos und Unkraut. Für die zweifelhafte Ehre die das Haus der Gemeinde eingebracht hat, interessieren sich die Bewohner schon lange nicht mehr. Sein einstiger Standort ist gar nicht so leicht zu finden und es gibt kaum noch Wegweiser, die Besuchern oder Geisterjägern den richtigen Weg zeigen. Doch derjenige, der sich wagt, einen der Bewohner auf die jetzigen Spukereignisse anzusprechen, muss mit einer deutlich ablehnenden Reaktion rechnen. Während Parapsychologen immer noch heftig über den Spuk im zerfallenen Borley Rectory beratschlagen, hört man Leute, die diesen ländlichen Winkel besucht haben, von seltsamen Erscheinungen und unheimlichen Geschehnissen berichten.


Borley Rectory - Foto von Harry Price

Laut Legende wurde das nicht wirklich attraktive Haus von Reverend Henry Bull im Jahre 1863 auf dem einstigen Gelände eines Mönchsklosters errichtet. Es war ein düsterer Backsteinbau mit 23 Zimmern. Es wird erzählt, dass einer der Mönche eine streng geheime Liaison zu einer Nonne aus dem benachbarten Kloster unterhalten habe und mit ihr durchbrennen wollte. Doch beide wurden bei diesem Versuch erwischt und zum Tode verurteilt. Der Mönch wurde gehängt (manche Quellen jedoch behaupten, er würde geköpft), die Nonne aber erlitt einen schlimmeren Tod, sie wurde lebendig in den Kellergewölben des Klosters eingemauert. Der Geist dieser Nonne wurde bald darauf noch an der Stelle gesehen, an der ihre sterblichen Überreste in den Mauren begraben liegen. Zunächst hielt man den Geist für einen gewöhnlichen Geist einer Nonne - einer von hunderten, die wegen ihrer fleischlichen Gelüste dazu verdammt sind, auf irdischen Gefilden zu wandern.

Später wurde der Geist der Nonne erst richtig verärgert, als man das Pfarrhaus auf ihrer gespenstischen "Reiseroute" errichtet hat. Ihr Missfallen brachte sie später in großer Deutlichkeit zum Ausdruck. So wurde öfters, von den zu Abend essenden Bewohnern, ihr Geist traurig vor dem Fenster stehen gesehen. Reverend Bull war schließlich davon so verärgert, dass er das Fenster zumauern ließ! Davon ließ sich die Geisternonne jedoch nicht aufhalten und tyrannisierte die Bewohner mit allerlei Poltergeist-Aktionen. Zwei der Töchter des Geistlichen behaupteten dann eines Tages, eine Schattengestalt im Garten der Pfarrei auf dem später so genannten "Nonnenpfad" gesehen zu haben. Ihre Aktivitäten wurden mit der Zeit immer schlimmer und als Reverend Bulls Sohn Harry im Jahre 1892 die Nachfolge seines Vaters antrat, gehörte sie bereits zum normalen Tagesablauf.


Angeblich wird die Nonne immer wieder auf dem Borley-Anwesen gesehen 

Das führte schließlich soweit, dass sich die Angestellten weigerten an einem Ort zu arbeiten, an dem man mit einer Geisterkutsche rechnen musste, die durch das Esszimmer jagt und danach wieder verschwindet. Auch von Geräuschen und Schritten in der Nacht, Türklopfen und Schläge ins Gesicht, während sie schliefen, wurde berichtet. Ein Studiengenosse von Harry Bull, der sich 1885 und 1886 im Pfarrhaus aufhielt, erzählte 60 Jahre später von Steinen die umherflogen, und wie seine Stiefel immer oben auf der Garderobe lagen. Er will die Nonne mehrmals gesehen haben, und hörte oft die knarrende Kutsche vorbeifahren.

Nach Harrys Tod hatte das Haus einen so schlechten Ruf, dass ganze 12 Geistliche das Amt als Pfarrer ablehnten. Man munkelt jedoch, dass Hochwürden Henry und sein Sohn und späterer Nachfolger Harry die Geschichte von dem Mönch und der Nonne mit Gusto erzählten, und sie mit immer mehr Details ausschmückten, dass sie Schulkinder des Dorfes schließlich von der Echtheit der Geschichte überzeugt waren.

Reverend G.E. Smith und seine Frau, die dem Spuk skeptisch gegenüberstanden, zogen schließlich 1928 in das Haus ein. Eine Woche später ging die Nonne wieder auf ihre nächtlichen Wanderungen. Sie ging aber nicht mehr allein, sondern wurde vom Geist von Harry Bull persönlich begleitet. Nachts hörte man Schritte aus leerstehenden Räumen, man vernahm seltsames unverständliches Geflüster, sowie das sanfte Stöhnen einer Frauenstimme, die immer lauter wurde, bis der Schrei "NEIN CARLOS, NICHT!" zu hören war und danach im Haus Stille einkehrte.

Am 10. Juni 1929 erschien sogar ein Bericht über diese Ereignisse im "Daily Mirror". In dem war die Rede von "Geistergestalten eines kopflosen Kutschers, einer Nonne und einer alten Zweispannkutsche, die auf mysteriöse Weise erscheinen und verschwinden, sowie Geräusche von Schritten in den leeren Zimmern…"

Harry Price

Der Gründer des britischen Instituts für Parapsychologische Forschung, Harry Price, war von dem Artikel so fasziniert, dass er das Pfarrhaus am 12. Juni 1929 besuchte und dort eine Untersuchung einleitete, die das kleine Dorf Borley ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultierte. Die Geister reagierten mit besonders heftigen Aktivitäten darauf. Gespenstische Finger klopften Botschaften an Spiegel, unsichtbare Hände warfen Vasen an die Wand: Schlüssel wurden aus ihren Löchern auf den Boden geschleudert, eine Flut an Haushaltsgeräten stürzte die Treppe runter, eine Fensterscheibe wurde zerbrochen und einer der verärgerten Geister warf Harry Price sogar einen Kerzenständer an den Kopf. Price besuchte das Haus mehrmals während den kommenden Wochen, und jedes Mal ereigneten sich ähnliche Phänomene, über die dann im "Daily Mirror" berichtet wurde. Bereits wenige Tage nachdem der erste Zeitungsbericht erschienen war, wurde das Haus der Pfarrersfamilie von sensationsgierigen Besuchern aus London belagert. Im Juli 1929 hatten Reverend Smith und seine Frau die Nase voll und zogen aus.

Im Oktober 1930 fand sich schließlich Pfarrer Lionel Algernon Foyster, verwandt mit dem ursprünglichen Besitzer, ein. Er kam bereits beim Einzug mit den dunklen Mächten des Hauses in Berührung. Seine Frau Marianne wurde von einem unsichtbaren Angreifer ins Gesicht geschlagen und Gegenstände verschwanden oder tauchten an seltsamen Orten wieder auf. Als dann Harry Price seinen ersten Abend im Haus verbrachte, hießen ihn die Geister willkommen, indem sie seinen Wein angeblich in Tinte verwandelten. Die so genannten "Mariannenbotschaften" gehörten zu den Phänomenen, die Harry Price besonders anzogen. Diese unleserlichen, meist mit Bleistift geschriebenen, Kritzeleien an den Wänden, waren an die Frau des Pfarrers gerichtet und flehten sie an, Hilfe zu holen.


Fotografien der Geistergekritzel an den Wänden der Pfarrei von Borley und von Mrs. Foysters vergeblichen Versuchen, mit dem Geist schriftlich in Verbindung zu treten (Abschnitt unten). Einige meinten, Mrs. Foyster habe die Geisternachrichten selbst geschrieben, andere glaubten, es handele sich um Kritzeleien der kleinen Adoptivtochter Adelaide. Doch als die ersten Botschaften an den Wänden erschienen, war das Mädchen noch keine drei Jahre alt. 

Hochwürden Foyster begann die Ereignisse im Hause in einem Tagebuch festzuhalten. Geschirr verschwand und tauchte plötzlich wieder auf, Bücher fanden sich am falschen Platz, Bilder wurden von den Wänden genommen und auf den Fußboden gelegt, seine Frau und er selbst wurden mit Gegenständen beworfen, Türen waren buchstäblich wie von Geisterhand verschlossen. Während der fünf Jahre, die die Foysters in Borley verbrachten, notierte der Geistliche mehr als 2000 Einzelfälle, von denen sich die meisten in den ersten zwei Jahren ereignet hatten.

1937 zog Reverend Foyster aus und Harry Price mietete das Haus für ein Jahr. Er suchte dann in der "Times" per Annonce "verantwortungsvolle Personen mit Muße und Intelligenz, unerschrocken, kritisch und vorurteilsfrei", um ein Team freiwilliger Beobachter zusammenzustellen. Unter den Bewerbern wählte er 40 Leute aus, die ihm bei seinem gespenstischen Experiment helfen sollten. Während einer spiritistischen Sitzung erzählte ihnen ein Geist, der sich als Harry Bull ausgab, dass die Leichen einer Nonne und eines Mönches namens Fade noch im Garten begraben seien. Ein weiterer Geist, bei dem es sich um die Nonne handelte, ihr Name war Marie Laine, erzählte ihnen, dass das Haus in jener Nacht abbrennen würde, aber nichts dergleichen geschah.
 

Die Überreste von Borley Rectory

1938, nachdem Price das Haus verlassen hatte, zog ein neuer Mieter namens Captain W.H: Gregson ein. Als dieser gerade am 27. Februar 1939 seine Bücher einräumte, stürzte ein Regal um und brachte eine Parafinlampe zum Umkippen und das Haus brannte völlig aus (Gregson selbst wurde der Brandstiftung bezichtigt), es blieben nur die rauchgeschwärzten Grundmauern stehen. Augenzeugen berichten, dass in den Flammen gespenstische Gestalten und der Geist einer Nonne zu sehen waren.

Im Jahre 1943 kehrte Harry Price zu den Überresten zurück, wo er bei Ausgrabungen einen Meter unter dem Keller die Gebeine einer Frau fand.1948 debattierten Parapsychologen, ob es Spukerscheinungen waren, oder ob alles gut inszeniert gewesen sei.  

Kommentar:

Nach dem Tod von Herry Price (1951) erlitt sein Ruf einen empfindlichen Schaden. Dir "Society for Psychical Research bat einige Mitglieder um eine kritische Überprüfung der Angaben. In ihrem Buch "The Hauntig of Borley Rectory 1956), behaupteten sie, Harry Price hätte die ganze Geschichte erfunden.
Große Beachtung schenkte man der Tatsache, dass die Foysters zeitweise in Amherst, Nova Scotia, gelebt hatten, das 1878 Schauplatz einer berühmten Poltergeistmanifestation gewesen war, die ihnen bekannt gewesen sein musste. Denn es stellte sich heraus, dass sich Hochwürden Foyster sich des Pseudonyms "Teed" bediente, als er über die Vorkommnisse in Borley schrieb. "Teed" war der Name des Eigentümers des Hauses in Amherst!

Des Weiteren vermutete man, dass Mrs. Foyster verantwortlich für die poltergeistähnlichen Vorkommnisse war. Sie soll außerdem keine treue Ehefrau gewesen sein. Auch meinte man, dass das Gekritzel an den Wänden von der dreijährigen Adelaide stammte.

Diese Ganzen Tatsachen scheinen die These zu stützen, dass der ganze Spuk unecht sei. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende: In den 60er Jahren verbrachten der Parapsychologe Geoffrey Croom-Hollingworth und sein Assistent Roy Potter über mehrere Jahre hin viele Stunden auf dem Grundstück und hörten merkwürdige Geräusche. Und dann geschah in einer klaren Nacht folgendes:

"Plötzlich sah ich sie ganz deutlich in ihrer grauen Tracht mit der Haube durch den Garten und die Hecke gehen. Ich dachte, da will mich jemand auf den Arm nehmen…Roy war draußen auf der Straße und ich rief nach ihm. Die Gestalt war in einer Garage verschwunden und ich dachte, damit hat sich's. Doch kaum stand Roy neben mir, sahen wir sie beide auf der anderen Seite wieder herauskommen. Sie kam uns auf etwa 3,5 m nahe, wir sahen beide ihr Gesicht, das einer Frau so um die 60. Wir folgten ihr, sie glitt über einen trockenen Graben, als ob der gar nicht da wäre, und verschwand in einem Berg von Bausteinen… Etwa 12 Minuten lang sahen Roy und ich die Nonne ganz deutlich!"


Die Kirche von Borley

1974 bekam Croom-Hollingsworth die Erlaubnis, nachts in der Kirche von Borley Tonbandaufzeichungen machen zu dürfen. Er nahm dabei eine Menge merkwürdiger Geräusche auf, doch es gibt nur die Zeugenaussagen der Beobachter, dass diese Geräusche nicht natürlichen Ursprungs sind. Auch andere Berichteten von Geräuschen und Fotos mit unerklärlichen Wesenheiten darauf. Croom-Hollingsworth behauptete fest:" Es ist mir schnurzegal, ob Price was erfunden hat oder nicht. Die Grundfrage lautet doch - spukt es hier? Und Sie können mir glauben: Es spukt. Ich habe nichts erfunden!"  


 
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